Veranstaltung

Prof. Dr.-Ing. Jürgen Follmann und die wissenschaftliche Mitarbeiterin Laura Kehrer M. Eng. vom FBBU der h_da präsentierten die Ergebnisse des Verkehrsversuchs im Juli 2025 in Berlin im Fachforum Mobilität des Bundeskanzleramts zum Thema Radschutzstreifen. Begleitet wurden sie vom Referatsleiter für „Ordnungsrecht Straßenverkehr“ im Hessischen Verkehrsministerium Dr. Henrik Schüler, der den Verkehrsversuch ermöglichte und von den positiven Ergebnissen beeindruckt ist.   © Dr. Malte Petersen Prof. Dr.-Ing. Jürgen Follmann und die wissenschaftliche Mitarbeiterin Laura Kehrer M. Eng. vom FBBU der h_da präsentierten die Ergebnisse des Verkehrsversuchs im Juli 2025 in Berlin im Fachforum Mobilität des Bundeskanzleramts zum Thema Radschutzstreifen. Begleitet wurden sie vom Referatsleiter für „Ordnungsrecht Straßenverkehr“ im Hessischen Verkehrsministerium Dr. Henrik Schüler, der den Verkehrsversuch ermöglichte und von den positiven Ergebnissen beeindruckt ist. © Dr. Malte Petersen

Wissenschaft trifft Praxis:

Verkehrsversuch erregt bundesweite Aufmerksamkeit

Mit der aktualisierten Straßenverkehrsordnung (StVO 2024) und der Verwaltungsvorschrift (VwV-StVO 2025) wurden wichtige Korrekturen für Verbesserungen der Verkehrssicherheit im Radverkehr unternommen. Auch die Regelwerke werden aktuell fortgeschrieben, um eine zeitgerechte und sichere Fuß- und Radverkehrsinfrastruktur zu erreichen. Ein wichtiges Themenfeld im Radverkehr ist die zukünftige Ausgestaltung von Schutzstreifen. Derzeit kann immer wieder ein Überholen des Radverkehrs durch Kfz mit zu geringen Sicherheitsabständen beobachtet werden und die Sicherheitsabstände zu parkenden Kfz sind oft zu gering. Nicht zuletzt hierdurch werden diese häufig als unsicher empfunden und Radfahrende weichen auf Gehwege aus. Hieraus resultieren Konflikte mit dem Fußverkehr. Anders als in der geltenden StVO vorgesehen, werden in der Praxis Schutzstreifen häufig von Kfz auch außerhalb von Begegnungssituationen mitgenutzt. Vor diesem Hintergrund erproben Länder wie Frankreich, Niederlande oder Schweiz seit einigen Jahren Schutzstreifen mit einstreifiger Kernfahrbahn und haben vielversprechende Verbesserungen für das Miteinander von Rad- und Kfz-Verkehr erreicht. In Deutschland wurden aufgrund der engen Grenzen aus der VwV-StVO bislang nur Ansätze mit schmalen Kernfahrbahnen in Baden-Württemberg mit positiven Erfahrungen getestet (Baden-Württemberg: Erweiterte Möglichkeiten für Radverkehrs-Markierungen).

Was 2023 als umstrittenes Experiment begann, entwickelt sich zu einem verkehrspolitischen Meilenstein: Der Verkehrsversuch in der Heusenstammer Industriestraße, wissenschaftlich begleitet durch die Hochschule Darmstadt, eröffnete den Weg für Veränderungen der Straßenverkehrsordnung (StVO) und deren Verwaltungsvorschrift – als neue Handlungsoption für Kommunen in ganz Deutschland.

Prof. Dr.-Ing. Jürgen Follmann und die wissenschaftliche Mitarbeiterin Laura Kehrer M. Eng. vom Fachbereich Bau- und Umweltingenieurwesen der Hochschule Darmstadt präsentierten die Ergebnisse des Verkehrsversuchs im Juli 2025 in Berlin im Fachforum Mobilität des Bundeskanzleramts zum Thema Radschutzstreifen. Begleitet wurden sie vom Referatsleiter für „Ordnungsrecht Straßenverkehr“ im Hessischen Verkehrsministerium Dr. Henrik Schüler, der den Verkehrsversuch ermöglichte und von den positiven Ergebnissen beeindruckt ist.

Das Fachforum zielt darauf ab, Wissenschaft und Verwaltung in einen direkten Dialog zu bringen. Es kommen jeweils 10 bis 15 Personen mit einschlägigen Kenntnissen zusammen, um gemeinsam wirksame und umsetzbare Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Unter der Moderation des Bundeskanzleramtes waren Vertreterinnen und Vertreter von TU Berlin, Goethe-Universität Frankfurt, Hochschule Karlsruhe, LMU München, Bundesanstalt für Straßenwesen und Unfallforschung der Versicherer sowie Bundesverkehrsministerium, Verkehrsministerium Baden-Württemberg und Bayerisches Staatsministerium des Innern für Sport und Integration eingebunden. Im Fokus der Diskussion stand die Umgestaltung eines Straßenquerschnitts mit einer einstreifigen Kernfahrbahn und beidseitigen Schutzstreifen – eine Lösung, die bisher so nicht im Regelwerk vorgesehen ist. Abschließend stimmten alle zu, dass auf Straßen mit Fahrbahnen, die etwa 6,00 – 8,00 m breit sind, Handlungsbedarf für das Miteinander zwischen Kfz- und Radverkehr besteht und einstreifige Kernfahrbahnen mit Schutzstreifen ein vielversprechender Ansatz sind.

Die mehrfachen Videobeobachtungen zum Verkehrsversuch Heusenstamm zeigen, dass deutlich rücksichtsvoller gefahren wird, Radfahrende statt im engen Seitenraum und im Konflikt mit dem Fußverkehr nun die Fahrbahn nutzen und die Straßenfläche insgesamt effizienter genutzt wird – trotz der zunächst ungewohnten einstreifigen Kernfahrbahn. Verkehrsunfälle sind keine passiert. Der Verkehrsversuch wurde zwei weitere Jahre verlängert, um die positiven Erkenntnisse langfristig zu bestätigen.

Die weitere systematische Aufbereitung des Wissensstandes wurde als eine notwendige Grundlage für einen folgenden Austausch zu dem Thema identifiziert. Der gesamte Teilnehmendenkreis ist eingeladen, hier das eigene Wissen beizutragen. Ziel ist, dass es innerhalb von ca. 6 Monaten ein prägnantes Dokument gibt, in dem der Wissensstand zum Thema Schutzstreifen mit einstreifiger bzw. schmaler Kernfahrbahn (und ebenso bestehende Wissenslücken) prägnant beschrieben sind. Die Hochschule Darmstadt mit Laura Kehrer übernimmt die Koordination.

Letztlich geht es um die Aufnahme einer Option in die Verwaltungsvorschrift zur StVO, die regelt, wie bestehende StVO-Bestimmungen vor Ort anzuwenden sind. Werden einstreifige Kernfahrbahnen mit Schutzstreifen wie in Heusenstamm ermöglicht, können ähnliche Straßenmarkierungen künftig ohne Sondergenehmigung durch die zuständigen Landesbehörden umgesetzt werden. Für Kommunen bedeutet das weniger Verwaltungsaufwand, mehr Rechtssicherheit, schnellerer Handlungsspielraum.

Mit dem angestoßenen Dialog in Berlin steht Heusenstamm nun symbolisch für einen Paradigmenwechsel: weg vom Sonderfall, hin zur übertragbaren Lösung für mehr Sicherheit auf schmalen Straßen. Die Einladung ins Kanzleramt unterstreicht die Bedeutung praxisnaher Forschung und kommunaler Innovationskraft. Das Team der h_da freut sich, weiter Teil dieses zukunftsgerichteten Prozesses zu sein und federführend mitzuwirken.