Bild von der Radschnellverbindung bei Darmstadt-Arheilgen mit getrenntem Gehweg und Radweg und der zugehörigen Beschilderung mit Zusatzschild "S-Pedelecs frei"

Nutzung von Radinfrastruktur mit S-Pedelecs am Beispiel der Radschnellverbindung Frankfurt-Darmstadt (Wissenschaftliche Begleitung)

Auf der Radschnellverbindung Frankfurt-Darmstadt läuft seit Mai 2024 ein vom Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr, Wohnen und ländlichen Raum (HMWVW) und dem Regierungspräsidium Darmstadt initiierter und durchgeführter Verkehrsversuch.

Während des Versuchszeitraums darf der bislang fertig gestellte Abschnitt zwischen Langen und Darmstadt-Nord auch von sogenannten „S-Pedelecs“ genutzt werden. „S-Pedelecs“ sehen zwar aus wie herkömmliche Pedelecs, fallen aber unter die Kategorie der versicherungs- und kennzeichenpflichtigen „Kleinkrafträder“ und dürfen generell nicht auf Radwegen fahren. „S-Pedelecs“ verfügen wie normale Pedelecs über eine elektrische Tretunterstützung, die jedoch nicht bei 25 km/h, sondern erst bei einer Geschwindigkeit von 45 km/h abschaltet.

Mit dem Verkehrsversuch soll mit wissenschaftlicher Begleitung durch die Hochschule Darmstadt ergebnisoffen untersucht werden, ob ausgewählte Strecken wie beispielsweise Radschnellverbindungen auch für die Nutzung durch „S-Pedelecs“ geeignet sein könnten.

Der Verkehrsversuch und die wissenschaftliche Begleitung werden vom Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr, Wohnen und ländlichen Raum finanziert.

Die Unterschiede zwischen Pedelec, S-Pedelec und E-Bike sind in einem Faltblatt des BMDV knapp zusammengefasst.

Befürworter argumentieren, dass „S-Pedelecs“ nur kurzfristig und unter maximaler Anstrengung eine Spitzengeschwindigkeit von 45 km/h erreichen können und eher im durchschnittlichen Geschwindigkeitsniveau von Rennrädern anzusiedeln sind. Gleichzeitig wird dem „S-Pedelec“ ein großes Potential zugeschrieben, insbesondere auf längeren Alltags-Strecken eine Alternative zum Auto sein zu können.

Demgegenüber stellt sich die Frage der Verkehrssicherheit, unter anderem aufgrund der großen Geschwindigkeitsunterschiede zwischen langsamen Radfahrenden und „S-Pedelec“-Nutzenden. Der Bundesgesetzgeber hat daher aufgrund der durch elektrische Tretunterstützung möglichen hohen Fahrgeschwindigkeiten von „S-Pedelecs“ von bis zu 45 km/h diese bewusst den Krafträdern zugeordnet und eine generelle Freigabe für Radwege nicht gesetzlich festgeschrieben.

Bislang sind S-Pedelecs ein Nischenprodukt. Der Marktanteil von „S-Pedelecs“ unter allen verkauften Fahrrädern liegt bei unter 1%. Die Fahrrad-Industrie erklärt dies auch mit dem prinzipiellen Nutzungsverbot von Radwegen, was dazu führt, dass „S-Pedelecs“ auch außerorts auf Landstraßen mit dem Kfz-Verkehr auf der Fahrbahn fahren müssen, selbst wenn ein straßenbegleitender Radweg vorhanden ist.

Im Verkehrsversuch soll untersucht werden, mit welchen Geschwindigkeiten die unterschiedlichen Nutzergruppen auf der Radschnellverbindung unterwegs sind und welche Auswirkungen sich durch die Freigabe für „S-Pedelecs“ ergeben. Dazu finden bereits in den Wochen vor dem Start des Verkehrsversuchs vor Ort Messungen statt. So lange die Zusatzbeschilderung „S-Pedelecs frei“ noch nicht montiert sind, bleibt daher die Nutzung der Radschnellverbindung für „S-Pedelecs“ konsequent untersagt.

Die wissenschaftliche Untersuchung umfasst neben der technischen Erfassung von Geschwindigkeiten und Beobachtungen zur Verkehrssicherheit auch Vor-Ort-Befragungen und Interviews. Mit ersten Ergebnissen aus der wissenschaftlichen Begleitung des Verkehrsversuchs ist im Frühjahr 2025 zu rechnen.

Das Ministerium und das Regierungspräsidium behalten sich zudem vor, den Verkehrsversuch auch früher zu beenden, wenn dies aus Gründen der Verkehrssicherheit erforderlich sein sollte.

Wie lange und wo läuft der Verkehrsversuch?

Der Verkehrsversuch läuft seit Mitte Mai 2024. Er erstreckt sich auf den gesamten bislang fertig gestellten Bereich der Radschnellverbindung Frankfurt-Darmstadt, also von Langen bis Darmstadt-Arheilgen. Vor Ort wird dies durch die Zusatzbeschilderung „S-Pedelecs frei“ geregelt. Durch diese wird verkehrsrechtlich ermöglicht, mit S-Pedelecs von Langen bis Darmstadt auf der Radschnellverbindung zu fahren.

Was ist eine Radschnellverbindung und wer darf dort fahren?

Radschnellverbindungen (RSV) sind Verbindungen im Radverkehrsnetz, die den Zweck haben, bedeutende Quelle-Ziel-Potenziale des Alltagsradverkehrs zu erschließen. Dies wird durch qualitativ hochwertige, also breite und möglichst von anderen Verkehrsarten (Kfz-Verkehr, Fußverkehr) getrennte und an Knotenpunkten bevorrechtigt geführte Radverkehrsanlagen erreicht. Eine RSV beschreibt damit den Zweck der Radroute.

Wer auf ihr fahren darf, hängt von der Führungsform des Radverkehrs ab. Auf der Radschnellverbindung Frankfurt-Darmstadt sind viele Führungsformen anzutreffen. Große Teile der Strecke sind als (baulich getrennte) Radwege oder Fahrradstraßen ausgewiesen. Hier dürfen nur Fahrräder fahren, sofern Zusatzzeichen keine anderen Fahrzeuge zulassen. Auch S-Pedelecs dürfen hier nur fahren, wenn es durch Zusatzzeichen "S-Pedelec frei" ausdrücklich erlaubt ist.

Sie können sich auch über weitere geplante Radschnellverbindungen in Hessen informieren. Daran lässt sich auch ersehen, weshalb der Verkehrsversuch große Bedeutung hat.

Im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung wurden Verkehrsbeobachtungen und Befragungen durchgeführt, sowie das Unfallgeschehen genau beobachtet. Für ein aussagekräftiges Ergebnis wurden Untersuchungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten vor und während des Verkehrsversuchs durchgeführt. So ist es möglich, sowohl positive als auch negative Veränderungen zu ermitteln und Empfehlungen für eine Optimierung ableiten zu können.

Für Verkehrszählungen und Beobachtungen wurden datenschutzkonforme Videoerhebungen durchgeführt. Personenbezogene Daten, wie Gesichter oder Nummernschilder können durch die stark verpixelten Aufnahmen nicht erkannt werden.

Zusätzlich wurden Seitenradargeräte eingesetzt, welche die Geschwindigkeiten der Verkehrsteilnehmenden und die Anzahl der Fahrzeuge erfassen. Dies dient u.a. dazu, Veränderungen der Geschwindigkeitsverteilung zu erkennen.

Für die Untersuchungen wurden Stellen ausgewählt, bei denen es möglicherweise zu Konflikten zwischen S-Pedelecs und anderen Verkehrsteilnehmenden kommen könnte (z. B. Engstellen, unübersichtliche Kurvenbereiche, Schnellfahrstellen).

Die Rohdaten werden nur von der Hochschule Darmstadt genutzt und nach Abschluss des Projekts gelöscht. Daten werden nur in aggregierter und aufbereiteter Form Dritten zugänglich gemacht. Personenbezogene Daten werden an keiner Stelle erhoben oder genutzt.

Ergänzend wurden im Sommer 2024 noch Befragungen vor Ort und eine Online-Befragung durchgeführt (siehe unten).

Wurden auch Befragungen vor Ort durchgeführt?

Von Juni-August 2024 wurden auch Befragungen vor Ort durchgeführt. Dabei führten Studierende der Hochschule Darmstadt kurze Interviews (~10-15 Minuten) mit Menschen, die auf der Radschnellverbindung unterwegs sind (nicht nur mit dem Rad). Die Befragung fand an verschiedenen Orten entlang der Route statt.

Die Beobachtungen des Verkehrs auf der Schnellverbindung zeigen keine über das übliche Maß hinausgehende Gefährdung des Rad- und Fußverkehrs durch S-Pedelecs. Die Befragungen bestätigen, dass die Freigabe der RSV für S-Pedelecs von der Mehrheit unkritisch gesehen wird. Die Befragten bemängeln vor allem rücksichtsloses Verhalten Einzelner - das leider unabhängig vom Fahrzeug vorkommt. Auch einer weitergehenden Freigabe von Radinfrastruktur außerorts für S-Pedelecs sind die meisten Menschen aufgeschlossen gegenüber, wobei der Ausbaustandard der Infrastruktur naturgemäß eine wichtige Rolle spielt.

Die Untersuchungen konnten aber auch nachweisen, das die Zahl der S-Pedelecs noch sehr ging ist. Sie unterstreichen auch, dass viele Menschen nicht genau wissen, was ein S-Pedelec ist und welche Regeln damit einhergehen (wie Helm-, Führerschein- und Versicherungspflicht).

Wir danken allen Menschen, die unsere Forschung durch Teilnahme an Befragungen oder Hinweise unterstützt haben. Die Ergebnisse der Begleituntersuchung wurden dem Ministerium vorgelegt. Wie es weitergeht, wird das HMWVW in Absprache mit dem Regierungspräsidium nach Sichtung der Forschungsergebnisse entscheiden. Mit einer Entscheidung kann zeitnah gerechnet werden.

Noch spannender ist sicherlich die Frage, wie es über die RSV Darmstadt-Frankfurt/Main hinaus mit S-Pedelecs weiter geht. Ein Partnerprojekt der Hochschule RheinMain und der Hochschule Darmstadt widmete sich der Sicht der S-Pe(n)delnden, um die Potenziale dieses Verkehrsmittels als Teil der Mobilitätswende genauer unter die Lupe zu nehmen. Während selbstverständlich geworden ist, dass Autos, die sehr schnell fahren können, auch in verkehrsberuhigten Bereichen fahren, bedarf es bei Zweirädern wohl noch einer Gewöhnungszeit - sowohl auf Seite der Verkehrsteilnehmenden allgemein, als auch auf Seite der Menschen auf S-Pedelecs. Ohne gegenseitige Rücksichtnahme, das zeigen die Untersuchungen, wird es auch in diesem Fall nicht funktionieren.